Manfred Schneider

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum


Welche sind Ihre 3 liebsten Volkslieder?
1-Auf tirolerischen Almen
2-Vom Zillertal außer
3-Heit steig mas auf die Alma

Was ist für Sie ein Volkslied?
Ein Volkslied ist ein Lied, an dem möglichst viele Menschen Gefallen finden.
Mit Text und Melodie kann man sich identifizieren.

Die musikalische Gestalt des Liedes ist so einfach, dass sie prinzipiell von jedermann ausgeführt werden kann.

Ein "richtiges" Volkslied hat in der Regel keinen namentlich bekannten Komponisten, sein Autor ist der Stil der Volksmusik einer bestimmten Landschaft, mit dem das Lied gemacht ist und so prinzipiell von jedermann erfunden werden kann.

Es gibt Volkslieder für große Gemeinschaften, wie z.B. das Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht" und solche, mit denen sich lediglich ganz kleine Gruppen identifizieren können, wie z.B. bei den Ständeliedern, die vor allem für die Handwerker bestimmt waren.

Die Muttersprache ist oft die Grenze eines Volksliedes, aber nicht immer, wenn man bedenkt, wie verbreitet heute die Kenntnis der englischen Sprache ist.

Können Sie uns von einem besonderen Erlebnis im Zusammenhang mit Volksliedern berichten?
Eine meiner ergreifendsten Begegnungen mit dem Volkslied ereignete sich im Herbst 1986. Ich war in Mühlbach oberhalb von Gais im Tauferertal damit beschäftigt, die mündliche Tradition der Südtiroler "Kirchensinger" auf Tonband festzuhalten. Der großartige Gesang der bäuerlichen Kirchensinger, der seit vielen Generationen nur mündlich überliefert wurde, war damals schon vom Aussterben bedroht und nur noch in drei Südtiroler Gemeinden aktuell zu erfahren. Die ganze Aktion wurde ein großer Erfolg, konnten doch tausende von Liedern in Wort und Ton gerettet werden.

Unvergesslich blieb mir aber besonders jener Abend an einem Dienstag im Oktober 1986 im Hof "Oberbach", wo ich die einzigartigen Mühlbacher Kirchensinger erstmals fünfstimmig singen hörte. Diese Form der Mehrstimmigkeit war überwältigend in der Form ihrer konsequenten Einfachheit und eindringlichen Klangschönheit. Mit diesen Aufnahmen war der Schlüssel gefunden worden, mit dem nun die meisten der in der Regel nur einstimmig überlieferten Kirchenlieder in einer ihrer idealen Intention entsprechenden Art mehrstimmig gesetzt werden konnten. Als ich nach den Aufnahmen die Sänger mit meinem Auto in ihren jeweiligen Hof nach Hause brachte, haben sie bei der Abfahrt das ergreifende Abschiedslied "Der Summer isch ausi" angestimmt. Auch das weltliche Volkslied ließ sich fünfstimmig singen, und keiner dachte daran, dass dieses Lied ursprünglich ein steirisches Volkslied gewesen war. Dieses herrliche Lied gehörte allen und der Tiroler Beitrag in der ersten Strophe war zudem der, dass am Schluss der ersten Strophe der Schneewind nicht vom steirischen "Wetterstein" her wehte sondern vom "Gamsgebirg": "Und es waht schon der Schneewind vom (Wetterstoan) Gamsgebirg her."

Eine andere besonders bemerkenswerte Begegnung mit dem Volkslied geschah in den späten 80er bzw. frühen 90er Jahren. Damals hatte ich in Tirol neben dem "Tiroler Weihnachtssingen" das "Tiroler Passions- und Ostersingen" initiiert und mit vielen Chören im ganzen Land zusammengearbeitet. Ich war immer ganz ergriffen, dass mir die Chöre, zumeist nach den Proben, im Gasthaus mit einem weltlichen Volkslied offensichtlich zeigen wollten, wie gut sie eigentlich sind und ich in der harten Probenarbeit mit den ihnen ungewohnten Kirchenliedern, die ich bei den Südtiroler Kirchensingern gefunden und zu Liederzyklen zusammengestellt hatte, keinen rechten Eindruck ihres Können gewinnen konnte. Zumeist waren diese ergreifenden Zugaben die in Tirol besonders beliebten Kärntner Chorlieder, die durch zahlreiche Lieddrucke auch sehr verbreitet wurden.

In der Kenntnis, dass es aus Tiroler Überlieferung zumindest ebenbürtige Lieder gibt, habe ich damals den festen Entschluss gefasst, ein Tiroler Volksliederbuch für Chöre zusammenzustellen. Viele Umwege haben mich in den Jahren seit damals zu ganz anderen Projekten geführt, aber nun, im Jahr 2005 zum hundertjährigen Jubiläum des Tiroler Volksliedarchivs, ist es endlich so weit, und ich bin mir sicher, dass mit dieser Auswahl aus Franz Friedrich Kohls herrlichem Tiroler Liederschatz viele Tiroler Chöre auch an ihrer eigenen Liedtraditon wieder Gefallen finden werden.