Gudrun

Da ich bei den oben beschriebenen Erlebnissen verständlicherweise nicht fotografieren konnte, zeigt das Bild meine Tochter, wie sie das Klavier entdeckt. Winsen/Aller (D)
Welche sind Ihre 3 liebsten Volkslieder?
1 - Bei schianer Summerszeit hun i mei greaßte Freid
2 - Am Himml stehn Sternlein vieltausend
3 - Wann du durchgehst durch Tal
Was ist für Sie ein Volkslied?
Der Definitionen gibt es ja viele. Ganz enge oder weitgefaßte ... Für mich zählt in erster Linie die Popularität, die aber eine lange Zeitspanne umfassen muss. Damit würden alle aktuellen Schlager wegfallen. Dazu gehört eine eingängige Melodie (sonst würde das Lied wohl auch nicht populär), die sich an der einfachen Liedbegleitung in der klassischen Harmonik ansiedeln dürfte. Im Gegensatz zu den ganzen bündischen (Pfadfinder-)Liedern, mit denen ich gerade in Kontakt komme, möchte ich außerdem ein 4-taktiges Schema anführen. Die Frage nach dem Autor ("Volkslieder müssen im Volk entstanden sein") möchte ich weit fassen, da die wenigsten Lieder in einer Gruppe (im Volk) entstanden sind, sondern meist einen sogar sehr bekannten Autor haben. So ist es nur momentan noch schwierig zu entscheiden, was sich auf Dauer von den heute populären Liedern halten wird und was nicht. Ich denke da an die Liedermacher von Kinderliedern, früher Fredrik Vahle, heute Jöker, Zuckowski usw. und besonders an Heute kann es regnen, stürmen oder schnein (Geburtstagslied) oder In der Weihnachtsbäckerei, die in jedem Kindergarten vermittelt werden. Der langen Rede kurzer Sinn: Volkslieder müssen zeitlos gültig sein, eine eingängige Melodie und Rhythmus haben (Schemata der Klassik) und weit verbreitet sein. Das macht das Singen heute mit Kindern so schwierig: Alle kennen nur noch irgendwelche themengebundenen Lieder (z.B. zum Wetter, zum Straßenverkehr usw.) aus dem Kindergarten oder aus der Schule, sodass es schwer wird, ein Lied zu finden, das alle Kinder können, wenn sich überregionale oder altersgemischte Gruppen zusammenfinden.
Können Sie uns von einem besonderen Erlebnis im Zusammenhang mit Volksliedern berichten?
Als meine Oma schon dement war, besuchte sie mein Vater im Heim. Sie redete kein Wort mehr und nahm nichts mehr wahr. Da fing er an zu singen und siehe da: sie sang mit und konnte auch alle Strophen noch.
So ähnlich ging es meinem Vater auch mit meiner Großtante, die Alzheimer hatte und überhaupt kein Kurzzeitgedächtnis mehr: Die ganzen Kirchenlieder aus der Jugend konnte sie noch, obwohl sie mit 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten war und diese Lieder seitdem mit Sicherheit nicht mehr gesungen hatte.
Am bewegendsten war aber der Abschied von meiner Mutter, die mit 45 Jahren an Krebs starb. Mein Vater nahm einen Tag vor ihrem Tod im Krankenhaus von ihr Abschied, indem er alle Abschiedslieder sang, die er kannte (sie hatte schon keine Stimme mehr).
Dies sind nun alles Erlebnisse, die mein Vater mit Liedern hatte, aber sie haben mich trotzdem tief berührt, weil sie mir die Macht der Musik aufgezeigt haben. Ich bin ein "klingender Mensch" und singe viel mit meinen Kindern, auch oder gerade im Tagesablauf. Und erste Erfolge stellen sich ein, wenn auch der Zweijährige schon das Geburtstagslied für die Schwester mitsingt!