Klosterschule

GANZ MODERN: DER MUSIKLEHRER

Unter Abt Vigilius Kranicher von Kranichsfeld wurde 1778 ein Knabenseminar eingerichtet mit dem Ziel, Singknaben und Instrumentalisten für den Figuralchor in Stams selbst auszubilden und so problemlos verfügbar zu haben.

Im Lehrkörper hatte der Musikinstruktor, jeweils ein Zisterzienser, eine übergeordnete Stellung inne. Paluselli erfüllte diese Funktion im letzten Schuljahr 1791/92.

1784/85 war ihm bereits der Violinunterricht formell anvertraut worden, doch dürfte er auch das Spiel auf anderen Streichinstrumenten gelehrt haben.

Im Orgelspiel unterwies die Knaben P. Zacharias Hirnsperger OCist. Johann Michael Malzat wirkte als einer der ersten externen Musiklehrer des Seminars,
das von zwei Schülern im ersten Schuljahr auf neunzehn im letzten angewachsen war.

Paluselli bildete nach 1792 weiterhin einige Buben zu Stams in Musik aus, denn im November 1795 wurden anstatt dem P. Stephan [...] die 4 Singknaben dem F[rater] Alois /:modo Ludwig:/ Riedl in der Musik übergeben, wie Abt Stöckl in seinem Tagebuch festhielt.

Paluselli war ein musikpädagogischer Pionier und muss zumindest intuitiv ein ausgeklügelter Didaktiker gewesen sein. Er hat für seinen Gesangsunterricht ein neues Solmisationssystem entworfen und angewandt, das zwar nicht von Stams aus Schule gemacht hat, das aber doch die um 1900 im deutschen Sprachraum eingeführte Tonika-Do-Methode schon vorausnahm.

Paluselli beschäftigte sich eingehend mit didaktischen Fragen des Gesangsunterrichts. Er hatte z.B. ein Exemplar der neunten Auflage der erfolgreichsten Gesangsschulen des 18. Jahrhunderts in Verwendung, der Musices Instructio [...] Kürtzest doch wohl gründlicher Weg [...] die Edle Sing-Kunst [...] zu erlernen, 1781 bei Lotter in Augsburg erschienen (1. Auflage 1732?).

Stift Stams, Musikarchiv, RISM 9282

Der Autor des Lehrwerks war der Reichenhaller Chorregent Josef Joachim Münster (1694-nach 1751). Er hatte es vor allem für die Ausbildung der Jugend verfasst.

Wohl um seinen Schülern das Lernen zu erleichtern, entwickelte Paluselli etwa um 1790 eine eigene Solmisationsmethode: Alle Tonstufen eines Gesangsstücks sollten auf eine jeweils zugeordnete Silbe gesungen werden, ohne dabei in unterschiedlichen Tonarten die Benennung der Töne verändern zu müssen. Jede Dur-Tonleiter besteht also aus denselben Tonfolgen:

DO

RE

MI

FA

SO

LA

SI

DO

1

2

3

4

5

6

7

8 (=1)

ba

ne

li

po

tu

Auch chromatische (erhöhte bzw. erniedrigte) Töne sind dabei in ihrer Bezeichnung festgelegt.


Paluselli stellte seine Solmisatio sine mutationibus, sursum et deorsum (Solmisationsmethode, auf- wie abwärts ohne Veränderungen) in einer Tabelle um 1785 eigenhändig dar:

Stefan Paluselli, Solmisationstafel, Stams um 1785, Autograph. In: J.J. Münsters Gesangschule Musices Instructio (1781, s.o.); auf dem Vorsatz hinten; Stift Stams, Musikarchiv, RISM 9282


Dazu konstruierte er einen Solmisationskompass, der aus zwei übereinander liegenden, drehbaren Scheiben besteht, die obere davon kleiner. Markierungen von Tonstufen, Vorzeichen, Tonbezeichnungen können nun nach Bedarf aufeinander abgestimmt und abgelesen werden, bei stets gleichbleibenden Intervallverhältnissen.

In der Mitte der oberen Scheibe hat sich der Erfinder des Patents verewigt: R[everendus] P[ater] St[ephanus] Palvselli.

Stefan Paluselli, Solmisationskompass, Stams um 1790; Foto: um 1934, Nachlass Walter Senn Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Musiksammlung


Der Choralgesang wurde in Stams im 18. Jahrhundert offensichtlich noch nach Grundlagen der Hexachordlehre Guidos von Arezzo (um 922-nach 1033) erlernt.

Paluselli wollte seinen Singknaben vermutlich das Studium der Mutationen erleichtern und hat für sie eine Mutationstafel und einen Mutationskompass (mit einem dem Solmisationskompass analogen System) konstruiert.

Stefan Paluselli, Mutationstafel, Stams um 1785, Autograph. In: J.J. Münsters Gesangschule Musices Instructio (1781, s.o.); auf dem Vorsatz vorn Stift Stams, Musikarchiv, RISM 9282

Stefan Paluselli, Mutationskompass, Stams um 1790; Foto: um 1934, Nachlass Walter Senn; Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Musiksammlung