Galantes Spiel

MIT TÖNEN: DER KOMPONIST

Stefan Paluselli dürfte über zweihundert Werke komponiert haben.

Während seiner Zeit im Kloster (1770-1805) hat er meist für den aktuellen Bedarf komponiert, für Feste im Kirchenjahr, zu Ehrentagen von Abt, Prior und Mitbrüdern, zur Huldigung an hohe geistliche wie weltliche Würdenträger, die Stams verbunden waren.

Für viele Festivitäten im Stift schrieb Paluselli eine neue, individuell ausgerichtete Komposition. In diese Kategorie fallen etwa die Kantaten für den Abt, die als Schlusssatz immer einen fulminanten Chor aufweisen mit einem Text zur Glorifizierung des Widmungsträgers. Priesterjubiläen von Mitbrüdern boten Gelegenheit, sie mit eigener Musik zu erfreuen.

Im Jahr 1802 z.B. hat Stefan Paluselli zu Ehren des emeritierten Cellerars (Stiftsverwalters) P. Romedius Schandl OCist. (1726-1812), der ein begeisterter Jäger war und den Beinamen Ursus (Der Bär) trug, die Kantate Diana und Ursus komponiert, auf einen Text des Stamser Gymnasialprofessors P. Thomas Voglsanger OCist. (1753-1814).

Stefan Paluselli,
Kantate Diana et Ursus,
Stams 1802.
Partitur, Titelblatt, Autograph.
Stift Stams,
Musikarchiv, RISM 2749

Stefan Paluselli,
Kantate Diana et Ursus,
Stams 1802. Partitur, S. 1, Autograph.
Stift Stams,
Musikarchiv, RISM 2749

Hörbeispiel Stefan Paluselli, Diana et Ursus, Intrada (Anfang)


Diana, die Göttin der Jagd, trifft im Wald auf den ob der vielen auf Stams zu eilenden Gäste verstörten und erschöpften Tanzbären, der es leid ist, nach Kommando sich zur Unterhaltung der Menschen als niedliches Kuriosum vorführen zu lassen.

Stefan Paluselli, Kantate Diana et Ursus, Stams 1802. Partitur, S.9, Lied des Bären: "Ich war so zahm [...]", Autograph. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2749

Hörbeispiel Lied des Bären

Stefan Paluselli, Kantate Diana et Ursus, Stams 1802.
Partitur, S. 31-32, Schlussduett Diana und Ursus:
Es leb" des Stiftes Zierde [...], Autograph.
Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2749

Hörbeispiel Schlussduett Diana und Ursus

Fast alle Orchester- und Kammermusikwerke hat Stefan Paluselli vor und bis um 1780 komponiert. Noch während seiner Innsbrucker Studienzeit entstand um 1768 das Divertimento in Es-Dur für zwei Violinen, Viola, Bass und zwei Hörner. Sein Mittelsatz ist autograph überschrieben Hennengeschrey.

Anton Julian Paluselli, Divertimento, Es-Dur, Innsbruck um 1768. Umschlagtitel und Violinstimme, 3. Satz "Hennengeschrey" (Anfang) samt Schluss des Trios zum vorhergehenden Menuett, Autograph. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2096

Die einzeln gestoßen zu spielenden Tonwiederholungen und Dreiklangsbrechungen imitieren klangmalerisch das aufgeregte Hühnergackern.

Hörbeispiel Hennengeschrey


Feinsinnige Programmstücke machen einen ansehnlichen Teil von Palusellis Gesamtwerk aus und kennzeichnen ihn als einen talentvollen Komponisten mit Sinn für das Experimentieren, für Spiel und Spaß, für Wunderliches und Außerordentliches. Stets trifft Paluselli bis ins kleinste Detail die Klangsphäre, die der Titel des Stücks assoziiert.

Stefan Paluselli, La Simplicità [Semplicità], D-Dur, Stams um 1775. Partitur, Takt 1-7, Autograph. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2137

Hörbeispiel La Semplicità

Hörbeispiel La Curiosità

Stefan Paluselli, Il Furioso, F-Dur, Stams vor 1800. Nr. 36 in seiner Sammlung Soggetti diversi [...] und Titel (Detail), Autograph. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2622 und 2658

Hörbeispiel Il Furioso

Hörbeispiel 1 Cassatio D-Dur

Hörbeispiel 2 Cassatio D-Dur

Zierlichkeit und tändelnde Heiterkeit
durchziehen Palusellis Galanterie,
ein Divertimento für Streicher und zwei Hörner.

Stefan Paluselli, Galanterie, F-Dur, Innsbruck um 1768. Partitur, S. 1 (Anfang des 1. Satzes), Autograph (mit Ausnahme der Violinschlüssel, die vielleicht von der Hand eines Kompositionslehrers stammen). Stift Stams, Musikarchiv, RISM 6502

Erste Violinstimme, 5. Satz, Kopie mit autographen Eintragungen, um 1768, Stift Stams, Musikarchiv, RISM 2127

Hörbeispiel Galanterie


Palusellis Divertimento in C-Dur für je zwei Flöten, Oboen, Hörner und Bass ist eines der wenigen Instrumentalwerke aus der Stamser Zeit. Es ist eine famose, kurzweilige Harmoniemusik, die vielleicht für die Aufführung im Freien gedacht war.

Hörbeispiele

Zu Palusellis Einstand als Komponist in Stams gehörte wohl auch sein siebensätziges Divertimento in D-Dur für Orchester.

Der damalige Stamser Chorregent P. Alois Specker OCist. (1737-1804) und der Haller Oboist Franz Grasberger haben den in Stams verwahrten Stimmensatz geschrieben. Der Umschlagtitel dazu Serenata à 13 Stromenti ist ebenfalls nicht autograph.

Das Stück ist eines der wenigen, die sich von Paluselli außerhalb von Stams erhalten haben. 1801 hat es der Chorregent der Pfarrkirche Fulpmes im Stubaital (Tirol), Thomas Hapacher, nach der Stamser Vorlage abgeschrieben. Paluselli und Hapacher mögen sich gekannt haben, denn Paluselli unternahm im August 1802 eine Fahrt in das Stubaital. Vielleicht hatte Hapacher auch bei Paluselli Musikunterricht erhalten.

Stefan Paluselli, Divertimento, D-Dur, um 1770. Abschrift des Fulpmer Chorregenten Thomas Hapacher, 1801, Titelblatt, Fulpmes, Privatbesitz

Hörbeispiel Divertimento

Um 1775 hat Stefan Paluselli in der formalen Anlage eines fünfsätzigen Divertimentos ein Konzert für Oboe und Orchester komponiert. Der Haller Oboist und Fagottist Franz Grasberger, der sich um 1780 oft in Stams aufhielt und hier eifrig auch als Notenkopist tätig war, könnte der erste Solointerpret des an Kantabilität, Empfindsamkeit und harmonisch abwechslungsreichen Werks gewesen sein.

Stefan Paluselli, Divertimento für Oboe und Orchester, F-Dur, Stams um 1775. Titelblatt und Partitur, S. 1, Autograph. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 3621

Hörbeispiel Divertimento

Mit Ausnahme zweier Antiphonen und Hymnen sowie eines Tantum ergo hat Paluselli seine Sakralwerke alle in Stams geschaffen, also ab seinem 23. Lebensjahr.

Von seinen sechs Messen weist lediglich die verschollene Pastoralmesse in D-Dur die gewöhnliche Besetzung von vier Singstimmen, Chor und Orchester auf.

Für einen Zisterzienser ungewöhnlich schrieb er zwei Messen im franziskanischen Stil, die er in der Kategorisierung seiner eigenen Werke in seinem Registrum Musicalium Stamsensium 1791 letztlich exakt unterschied von der um 1800 in Mode gekommenen Landmesse.


Er überschrieb sie in seiner autographen Partitur mit Messa paesana (Landmesse),
klassifizierte sie im Registrum Musicalium Stamsensium 1791 (in Übereinstimmung mit unseren heutigen stilistischen Kriterien) jedoch als Missa Franciscanorum (vgl. die Signatur von Palusellis Hand rechts oben auf dem Titelblatt).

Stefan Paluselli, Messa paesana/Missa Franciscanorum, C-Dur (3/4), Stams um 1790. Stimmenabschrift von Franz Xaver Sailer, Organist in St. Jakob am Arlberg, 1793, Titelblatt. Stift Stams, Musikarchiv, RISM 9271

Hörbeispiel Messa paesana

In Palusellis Messa paesana
(im Registrum Musicalium Stamsensium 1791 unter Missae variae)
sind ebenfalls das Benedictus und Agnus Dei nicht vertont.
Dies entsprach einem weit verbreiteten Usus in Tirol,
ebenso die Vokalbesetzung ohne Tenor.
Die Landmesse war gegen 1800 in Mode gekommen,
in ihrer Faktur und Ausführbarkeit einfach,
wie es die veränderten Zeitumstände für die Aufführungspraxis nahe legten.

Stefan Paluselli, Messa paesana, C-Dur (4/4), Stams um 1790. Partitur erstellt von Josef Wetzinger, Telfes im Stubai, im Auftrag des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Musiksammlung 1997 nach dem Autograph im Stift Stams, Musikarchiv RISM 2069 (Anfang).

Hörbeispiel Messa paesana, Kyrie


Die Offertorien Palusellis sind konzertante, teilweise kantatenartige Stücke, auf freie Texte im Stil der Zeit. Eine Auswahl davon erklingt erstmals wieder beim Konzert Musica sacra des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in der Stamser Stiftsbasilika am 23. und 24. Juli 2005, jeweils um 20 Uhr.