L. Mozarts dritter Brief an seine Frau

Leopold Mozart schrieb am 28. Oktober 1772 von Bozen aus an seine Gattin Maria Anna in Salzburg:

Sind wir nicht schon erstaunlich weit gereiset, da wir in botzen sind. den ersten Tag [Samstag 24. Oktober] sind wir vor 8 Uhr in St: Johanns [!] angelangt. Da aber den Son[n]tag darauf keine frühere Messe als das frühammt um 6 Uhr war, so kamen wir erst um 7 uhr weg, folglich langten wir erst gegen 10 uhr in Insprugg an. Den Montag blieben wir in Insprugg, und wir fuhren nach Hall nachmittag spazieren, um das königl[iche] Stift zu sehen, wo uns die Fr[äu}l[ein] schwester der Oberhofmeisterin gra[e]fin Lodron überal[l] herumführte. der Wolfg[ang] spielte in der Kirche die Orgel. den 27 [Oktober] sind wir bis Brixen gekommen, und heute um 12 Uhr Mittags sind wir hier angelangt. wir sind hier geblieben, weil wir in der späthesten Nacht bey dem erstaunlichsten Regenwetter, so eben um Mittag angefangen, würden nach Trient gekommen seyn, unterwegs aber kein bequemmes anderes Nachtquartier wäre. Morgen [Donnerstag 29. Oktober] um 5 uhr frühe werden wir mit Gottes Hilfe nach Trient reisen. In dem traurigen Botzen haben wir den H[errn] F[rater] Vincenz Ranftl im Dominicaner Closter heimgesucht. Er empf[i]ehlt sich ganz Salzb[urg] und befindet sich sehr wohl.

Vergessen muß man allezeit etwas. Ein Neues Calenderl habe [ich] gekauft und mitgenommen, das heurige haben wir aber beyde liegen lassen, ich muß also noch für Heuer ein Calender kauffen, das ist zum Lachen. Daß ich aber mein Petschierstöckl zu Hause gelassen, das ist nicht zum Lachen und verdriesst mich erstaunlich.


Meine Gesundheit ist dermahl (Gott Lob) bey der lieben Unordnung wie mir scheint, zimmlich wieder in seine Ordnung gekommen.

wenn mir zur Gesundheit das Reisen nothwendig ist, so werde[ich] mir Mühe geben, eine Currier-Stelle zu erhalten, oder wenigst Conducteur eines Postwagens zu werden. Der Wolfg[ang] befindet sich auch wohl; er schreibt eben für die lange Weile ein quatro. Er empfiehlt sich allen.

[...] An alle gute[n] Freunde und freundin[n]en unsere Empf[ehlung], lebts wohl, wir kissen euch viel 1000 mahl und bin der alte
M[o]z[ar]t

Beifügung W. A. Mozarts an seine Schwester Nannerl:
Nun sind wir schon zu botzen. schon? erst! mich hungert, mich du[e]rst[et], mich schläffert, ich bin faul, ich bin aber gesund. zu Hall haben wir dass Stift gesehen, ich habe dort auf der orgel gespielt. wen[n] du die Nader Nan[n]erl siehest, so sage ihr, ich hab[e] mit dem H: Brindl (ihren amanten) gered[e]t, er hat mir ein compliment auf sie aufgeben. Ich hoffe, du wirst dein wort gehalten haben, und (vergangenen Son[n]tag bey der) D: N: (gewesen sein). lebe wohl. schreibe mir was neues. botzen, dieß Sauloch.

Ein Gedichte von einen, der über botzen fuchs-teufel-wild und harb war.
soll ich noch kom[m]en nach botzen, so schlag ich mich lieber in d"fo[t]zen.

Leopold Mozart, Brief an seine Gattin Maria Anna, Bozen, 28. Oktober 1772;
Nachschrift von Wolfgang Amadé Mozart

Salzburg, Internationale Stiftung Mozarteum. - MIT 1991: Nr. 55